Allgemeiner Politik Thread

Dieses Thema im Forum "Archiv - Off Topic" wurde erstellt von Niedersachse, 15. November 2008.

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  1. Man muss auch beachten, dass Koch als Mitglied der CDU nunmal ganz andere Ansprüche haben muss als andere Politiker, in diesem Fall als die der NPD. Als Mitglied der NPD kann man getrost gegen ein paar Ausländer hetzen, deswegen ist man ja in der Partei. Kochs Ansprüche als hohes Mitglied einer demokrarischen Volkspartei sollten andere sein.
     
  2. Ich finde, dass zwischen Koch und einer rechtsextremen Partei Welten bestehen. Mitglieder einer rechtsextremen Partei sind regelrechte Nazis, die sich unter anderem nicht vor Gewalt scheuen und den Nationalsozialismus verherrlichen. Koch ist sicherlich nicht der beliebteste Politiker, aber so Unrecht hat er mit einigen Aussagen bzgl. der Rechtspolitik nun auch nicht.

    Bevor mir jetzt jemand was unterstellt - ich bin gegen Nazis, NPD oder Republikaner.
     
  3. Yps-Gimmick

    Yps-Gimmick Wetten, dass? - Moderator

    Ich kann mich daran erinnern, dass ich '99 als Angestellter einer Partei Europawahlkampf gemacht habe und ich in einer ansonsten ganz netten Stadt von einem Wähler gefragt wurde, wo man denn hier gegen Ausländer unterschreiben könne. Kochs damaliger Hessenwahlkampf sei Dank! Ich war so baff, dass ich nicht mal eine Antwort parat hatte. Vielleicht hätte ich ihm sagen sollen, dass er wahlweise zum CDU-Stand gehen sollte, die nur alle paar Jahre die dumpfen Ressentiments zu Stimmenfangzwecken ansprechen oder gleich zu den braunen Rattenfängern, die den Quatsch den sie erzählen auch noch glatt ernst meinen.

    Man darf Koch - bei aller Abneigung - nicht mit der NPD gleichsetzen. Aber man kann ihm vorwerfen, sich einer ausländerfeindlichen Grundstimmung freudig bedient und eventuelle Kollateralschäden in der Gesellschaft billigend in Kauf genommen zu haben. Er ist wahrlich kein Brauner, aber man könnte ihn durchaus einen giftspritzenden, korrupten und machtversessenen Unsympathen nennen. Das einzige Problem ist, dass es ihn nicht zu einem Unikat macht, denn von der Sorte tummeln sich leider genügend in der deutschen Politik über alle Parteien hinweg.
     
  4. Bremen

    Bremen Moderator

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    Sollten... allerdings lagen wie bei der NPD auf Initiative von Koch während des Wahlkampfs der Hessen-CDU zur Landtagswahl 1999 Unterschriftenlisten gegen die Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts (doppelte Staatsbürgerschaft) aus, was selbst aus Reihen der CDU als populistisch verurteilt wurde. Mit diesem Thema - welches nebenbei angemerkt ein bundespolitisches Thema ist und imho nichts im Wahlkampf zu einem Landesparlament verloren hat - hat Koch polarisiert und Ängste geschürt und somit letztenendes die Wahl gewonnen.
     
  5. Was hat die Mitgliedschaft in der Partei mit den Ansprüchen an das politische Handeln zu tun? Sollten nicht vielmehr die Ansprüche an das Handeln für alle Politiker gleich sein, unabhängig von ihrer Partei?

    Wenn man aber selbst schon Ansprüche stellt, sollte man dann nicht auch in der Lage sein zu differenzieren, anstatt platt alles in einen Topf zu werfen, was man nicht mag?
     
  6. So sieht der optimale moralische Sollzustand aus. Nun ist es aber in der Praxis so, dass wir von den Dumpfbacken der NPD krasse Aussagen gewohnt sind. Überrascht uns auch nicht, da wir ja wissen, dass es sich dort um eine ausländerfeindliche, undemokratische Partei handelt.
    Anders ist es, wenn ein Mitglied einer demokratischen Volkspartei sowas sagt, auch wenn es deutlich abgeschwächt ist.

    Ich differenziere grundsätzlich und möglichst überall. Und da ich Koch nicht mit der NPD gleichgesetzt habe, wirst du mir diesen Absatz auch nicht vorwerfen können.


    @Bremen: Und da liegt der krasse Unterschied. Koch ist immerhin ein Politiker, der einen hohen Status in der z.Z. stärksten deutschen Partei genießt, ist mittlerweile (noch) stellvertretender Vorsitzender und Landeschef. Seine Aussagen sind deutlich gemäßigter als jedwede "Sozial geht nur National Parole" der NPD, wird aber andererseits wieder etwas verstärkt, da er als CDU-Mitglied in der Position andere politische Ansprüche haben muss. Man möchte ja nicht den Eindruck haben, dass es sich um einen verkappten Rechtspopulisten handelt, der nur aus konservativer Tradition und aus eigenem Prestige in der Partei ist, mit der man auch mal einen Wahlkampf gewinnt, und nicht in einer kleineren Partei (was nicht die NPD sein muss).
     
  7. Angesichts des Rücktritts von Horst Köhler ist ja leider etwas in den Hintergrund gerückt, was er auf der Rückreise aus Afghanisten in einem Radio-Interview gesagt hat.

    "Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen."

    Später hat er ja gesagt, dass sich dies auf die sog. Piratenjagd am Horn von Afrika bezieht und nicht auf den "Stabilisierungseinsatz" in Afghanistan.

    Ich frage mich aber schon, warum in bestimmte Länder (wie eben Afghanistan) die Menschenrechte mit Waffengewalt etabliert werden sollen, während andernorts die totale Entrechtung von Frauen (wie in Saudi-Arabien) hingenommen wird. Ich denke schon, dass die (auch) wirtschaftlichen Beziehungen mit den jeweiligen Regierungen im Zusammenhang mit den Kriegseinsätzen stehen.
     
  8. Stehen bestimmt auch.
    Relevant ist aber auch die Bedeutung des Landes für das eigene Land. Von Saudi-Arabien geht keine Gefahr für die westliche Welt in Person der USA und ihren Gehilfen aus. Das Gegenteil ist der Fall. Dass sich gefährliche Terroristen auch dort aufhalten und v.a. von der wahhabitischen Religion profieren, wird hier übersehen.
    Aus Afghanistan geht eine Gefahr aus, was zumindest dem O-Ton der Regierungen wie der deutschen entspricht. Ob das auch wirklich so ist oder nicht ist nicht die Frage.
    Saudi-Arabien verfolgt u.a. wirtschafliche Beziehungen mit westlichen Ländern. Da ist z.B. eine wirtschaftliche Ursache, warum man über die Unterdrückung der Frauen hinwegsehen kann.
     
  9. slemke

    slemke

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    Ich finde auch, bei all der Diskussion um seinen Rücktritt, kommt seine eigentlich Aussage zu kurz. Ich glaube auch, dass wirtschaftliche Interessen immer eine Rolle spielen bei Kriegen, aber letztlich war das in der Geschichte fast immer so, auch wenn z.B. religiöse Gründe vorgeschoben wurden, so ging es sicher auch um wirtschaftliche Gründe.
     
  10. Wobei mir nicht so recht einleuchten will, was daran verkehrt sein soll, wenn mit dem Kampf gegen Terroristen auch die Freiheit der Handelswege geschützt werden soll. Diese Freiheit dient doch beim besten Willen nicht nur deutschen Unternehmen, sondern kommt vor allem der Bevölkerung vor Ort zugute.
     
  11. slemke

    slemke

    Ort:
    Bremen, 500m vom Stadion
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    Richtig, im Grunde hat Köhler also gesagt, was ohnehin alle wissen, nur nicht wahrhaben wollen. Denn, wir dürfen ja um Gottes Willen nur für ach so heilige humanitäre Missionen unsere Soldaten losschicken...wie böse, wenn die profane Wirtschaft von unseren Soldaten auch noch profitiert. Ich finde es absolut geheuchelt, wenn sich jetzt alle Politiker hinstellen und Köhlers Aussagen kritisieren, so sehr ich den Mann nicht mochte, aber im Bezug auf die Auslandseinsätze hat er endlich mal die Wahrheit gesagt:tnx:
     
  12. Neasy

    Neasy

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    Am "Horn von Afrika" sind es aber keine Terroristen, sind "Piraten". Aufgrund der Anarchie in Somalia macht die Weltgemeinschaft in diesem Fall die Wasserschutzpolizei.
     
  13. Und gerade vor der Küste Somalias wäre es sinnvoll, neben dem bewaffneten Kampf gegen Seeräuber auch die Ursachen zu bekämpfen.
    Die Menschen dort lebten vor alllem vom Fischfang. Die Fischbestände wurden aber dort durch internationale Fischfangflotten leergeräumt. Damit fehlte den Einheimischen die Existenzgrundlage. Wer nicht weiß, wie er seine Familie ernähren soll, ist natürlich willfährig, wenn ihm angeboten wird, sein Leben notfalls krimininell zu fristen. Diejenigen, die von ihren kleinen Booten aus die Frachtschiffe angreifen sind und bleiben meist arme Schlucker, profitieren tun Hintermänner, die Waffen und Ausrüstung zur Verfügung stellen.
    Man muss sich doch mal fragen, was einen Menschen dazu treibt, Pirat zu werden. Auch diese Leute haben bei jedem Angriff Angst. Angst, getötet zu werden. Und Angst, nicht genug von der Beute abzukriegen, um ihre Familie satt zu kriegen.
    Übrigens ist es so, dass sich die Fischbestände vor Ort erholen, weil sich die Fischfangflotten nicht mehr hintrauen.
    Jedenfalls ist es so, dass die Ursache für die Piraterie auch in Europa gesetzt wurde. Insofern ist es unsere Pflicht - und liegt darüber hinaus auch in unserem Interesse - diese Ursachen zu hinterfragen und nicht nur mit Waffengewalt zu reagieren.
     
  14. Felissilvestris

    Felissilvestris

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    Das ist doch bei allen politischen Fragestellungen die Ursache zu betrachten. Nur manchmal ist es einfacher Sympthome zu bekämpfen als an die Ursachen heranzugehen.
    Wir erleben seit nun gut 2,5 Jahren die größte Wirtschafts- und Finanzkrise aller Zeiten. Sie wird als Spkulationskrise bezeichnet. Ich halte die Spekulationen lediglich für ein Sympthon. In meine Augen ist diese Krise eine "Verschuldungskrise", welche wiederum durch viel zu viel billiges Geld ausgelöst wurde. Am Hypothekenmarkt konnte doch nur spekuliert werden, weil sich viel zu viele Amerikaner dinge geleistet haben, die sie sich faktisch nicht hätten leisten können und dürfen. Die Eurokrise führt sich auch alleine auf die überbordende staatliche Verschuldung zurück. Wenn die Staaten nicht über Jahrzehnte über ihre Verhältnisse nicht gelebt hätten, dann könnte auch keiner mit irgendwelchen Staatsanleihen oder gegen diese Staaten zu spekulieren. Wir brauchen also auch hier nicht zurerst über Reglulierungen an den Finanzmärkte nachzudenken, sondern sollten den Spekulanten die Spekulationsobjekte wegnehmen. Aber das wäre vie schwerer als irgendwelche Placebos wie Bankenabgaben, Finanzaktivitäts- oder Finanztransaktionsteuern einzuführen, welche am Ende doch wieder Ottonormal zahlt.

    Und genauso ist es im Fall Somalia. Anstatt versuchen diesen failed state wieder in geordnete Bahnen zu bringen, den Menschen eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen, ist es kurzfristig billiger und eben viel einfacher ein paar Kriegsschiffe zu schicken.
     
  15. Die Ursachen für die Piraterie mögen auch in Europa zu suchen sein, aber die Hauptverantwortung für die in Somalia herrschende Anarchie tragen nicht die Europäer, sondern die dort modernden und plündernden Banden. Ob diese Banden zu einer friedlichen Lösung der Probleme und der Errichtung einer tragfähigen Rechtsordnung überhaupt bereit sind, kann sicher ohne weiteres bezweifelt werden, und bis dahin ist der Schutz der Handelsschiffe absolut angebracht.

    Dass die Familien der Piraten Angst um sie haben, ist zwar durchaus vorstellbar, aber mein Mitleid für sie hält sich angesichts ihrer Brutalität in ganz, ganz engen, geradezu mikroskopisch kleinen Grenzen - schließlich wäre die Angst unnötig, wenn die armen Piraten einfach darauf verzichten würden, mit Waffengewalt Schiffe zu entführen, die Besatzung zu terrorisieren und nur gegen immense Lösegeldzahlungen wieder freizulassen.
     
  16. Habe ich gesagt, dass ich aus Mitgefühl darauf verzichten will, Schiffe vor Überfällen zu bewahren?

    Es ging mir darum, dass ich verstehe, wie diese Menschen zu Seeräuber werden. Die hatten doch auch sicher mal andere Vorstellungen, was aus ihrem Leben werden soll. Aber wenn man mich vor die Wahl stellt, zu verhungern, und meiner Kinder gleich mit mir, oder kriminell zu werden, würde auch ich mich wohl für letzteres entscheiden.

    Natürlich kann man versuchen, das Problem damit zu lösen, mit 76mm Geschützen heldenhaft in den Kampf gegen Fischerboote zu ziehen. Die Piraten, die in diesem Kampf geraten werden ihn mit Sicherheit verlieren. Aber so lange an Land Tausende warten, die notgeedrungen bereit sind ihnen nachzufolgen besteht das Problem weiterhin. Einzig das verlorene Material schmälert die Gewinnspanne der Hintermänner.

    Mit der Taktik, "wir schießen so lange auf die Terroristen, bis keiner mehr da ist" versucht man es in Israel seit etwa sechzig Jahren. Der Erfolg ist eher mittelmäßig.
     
  17. Felissilvestris

    Felissilvestris

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    Bremen
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    Wie gesagt: Sympthome zu bekämpfen ist einfacher als die Ursachen.
     
  18. Bremen

    Bremen Moderator

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    1899% Zustimmung :tnx:
     
  19. Siehst du, genau diese angedeutete Zwangsläufigkeit ziehe ich stark in Zweifel. Ganz sicher ist das Leben in Somalia derzeit um ein vielfaches schwieriger als das unsrige, aber dennoch gibt es auch zahlreiche Somalis, die dennoch nicht zur Waffe greifen. Diese Menschen verdienen meinen Respekt, weil sie trotz ihrer Not darauf verzichten, anderen Gewalt anzutun. Armut mag eine Ursache für Piraterie sein, aber sie ist nichts weniger als eine Entschuldigung dafür.
     
  20. Zwangsläufig ist eine solche Entwicklung sicher nicht. Aber wenn mir jemand einen lebensgefährlichen (und höchst verwerflichen) Job anbietet, muss die Motivation schon recht groß sein. Und Existenzangst ist ein solcher Motivationsfaktor. Daher halte ich es für unausweichlich, dass den grundlegenden Problemen der Region (fehlen staatlicher Autorität, aber eben auch die ausgebeuteten Fischgründe) mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, als die Verantwortlichen dies derzeit tun.